Das Gebiet am Südhang des Erzgebirges brachte schon immer reichlich Naturschätzen hervor. Schon im Mittelalter baute man in den Bergen Erze ab. Heute ist es neben Kaolin vor allem Braunkohle bei Sokolov und Most. Ebenfalls stark vertreten ist die Herstellung von Brennstoffen, Maschinenbau, chemische Industrie, Textil-, Glas- und Keramikproduktion. Der Braunkohlentagebau, anfänglich in unzähligen Tiefbauschächten betrieben, erreichte Mitte der 1980er Jahre mit dem kompletten Übergang zum Tagebau Betrieb seinen Höhepunkt. Als erstes wurde die Grube Družba, gelegen im östlichen Teil des Sokolover Reviers unweit der weltbekannten Kurstadt Karlovy Vary (Karlsbad), aufgefahren. In direkter Nachbarschaft im Westen ,nahe dem Stadtgebiet von Sokolov liegt der Tagebau Jiří. Während im Tagebau Družba die Kohleförderung inzwischen beendet ist, wird in der Grube Jiří noch immer Braunkohle gefördert. Die Kohleproduktion beträgt 8 Millionen Tonnen im Jahr. Das Kohleflöz Antoní hat eine Mächtigkeit von 30 bis 40 Meter. Die Kohle hat den niedrigsten Schwefelgehalt aller Braunkohle Standorte in der Tschechischen Republik und ist so für die Brikettierung geeignet, welche allerdings am Standort seit dem Jahr 2010 eingestellt wurde. Nach ursprünglichen Plänen sollte der Abbau bis etwa 2035 erfolgen, der Trend zur Nutzung von Kohle wird jedoch wahrscheinlich ein viel früheres Ende verursachen.Der aktuelle Abbau verläuft in Richtung des Dorfes Lomnice und dem Rand der Straße Sokolov - Kraslice. Das Kohleflöz setzt sich bis unter das Stadtgebiet von Sokolov fort, wo jedoch die geologische Situation einen Abbau nicht zulässt. Die südliche Grenze bildet jetzt schon die Straße 181, von wo aus man einen Blick ins Revier hat.Wer sich nun fragt, warum ich mich hier so ausführlich mit dem Thema Bergbau und Kohle beschäftige, es ist nicht nur die Großtechnik, sondern vor allem die umfangreichen Bahnen im Revier. Anfänglich waren die Grubenbahnen auf 900 mm Gleisen unterwegs. Dieser Teil der Geschichte ist allerdings seit 2003 mit dem östlich von Sokolov gelegenen Tagebauen Medard und Marie beendet. Inzwischen sind sämtliche 900 mm Anlagen zurück gebaut und dem Schneidbrenner zum Opfer gefallen. Im Revier Družba und Jiří wurde von Anfang an auf die Regelspur gesetzt. Hier kann man auch heute noch Kohle und Abraumzüge beobachten, wenngleich man auch hier feststellen muss, dass es stetig weniger wird.Im Gegensatz zu Medard und Marie sowie anfänglich im Tagebau Družba wird die gewonnene Kohle sowie der größte Anteil des Abraumes mit Förderbändern aus der Grube transportiert. Diese Methode ist effizienter als das ständige Verrücken der Gleisanlagen rund um die Großgeräte. Von den Bandanlagen gelangt die Kohle in die Hochbunker von Vintířov (Wintersgrün), wobei diese in vier Güteklassen sortiert wird.Nach dem Durchlaufen der Sortieranlage erfolgt der Weitertransport zu den Kraftwerken der Umgebung oder zur Übergabe an die České dráhy im Bahnhof Nové Sedlo u Lokte. Hauptabnehmer jedoch ist der Industriekomplex von Vřesová (Doglasgrün) in unmittelbarer Nähe. Nun aber genug der vielen Worte und zur Bildlichen Aufarbeitung meiner Exkursion im Sokolover Reviers.
Bei meinem Besuch am Wochenende war nur der Schaufelradbagger UNEX KU300/19 im Zusammenspiel mit dem Bandabsetzer PVZ 2500/230 in Betrieb.Gut zu erkennen sind die Kilometer langen Bandanlagen zur Sortier- und Verladeanlage Vintířov.
Weiter östlich neben der Landstraße nach Lomnice ergibt sich der Blick auf den UNEX KU800/12. Insgesamt 21 Schaufelradbagger der Baureihe KU 800 wurden in Uničov hergestellt, wobei zehn davon sowohl in der Tschechischen Republik, als auch in Russland und in der Ukraine immer noch in Betrieb sind. Die Schaufelradbagger der 800 Serie zählen zu den größten selbstfahrbaren Anlagen, die der Mensch je hergestellt hat. Die Länge beträgt 170 Meter, die Höhe beträgt 52 Meter. Das Schöpfrad hat einen Durchmesser von 12,6 Metern und ist mit 15 Bagger-Eimern von jeweils 1000 Litern Inhalt bestückt. Das Gewicht bewegt sich um 4400 Tonnen, was 131 Flugzeugen Boeing 737 entspricht.
Nun langsam aber sicher zur Eisenbahn. Wie schon erwähnt, geht das Verkehrsaufkommen auch in den Gruben am Erzgebirgsrand stetig zurück. Hauptakteure im Revier sind die technisch einzigartigen Lokomotiven 27E. Insgesamt 90 wurden in den Jahren 1984-1985 und 1989 von Škoda in Pilsen hergestellt. Die Lokomotiven der Baureihe 127, konkret die Gleichstrom-Elektrolokomotiven des Typs 27E sind für den Gütertransport und die Verschiebung auf Bergbaugleisen konzipiert. Das Nachstehende Bild entstand im Betriebshof Vintířov. 127 503-1 (Lok 253) und 127 509-8 (Lok 241) warteten am 30. Juni 2024 auf neue Aufgaben
Neben der Wartung und Instandsetzung der dreiteiligen Maschinen werden im Betriebshof auch Wagen aller Art gewartet und instand gesetzt.
Einen Tag früher am 29.Juni waren 127 503-1 (Lok 253) sowie 127 504-9 (Lok 255) im Betriebshof zugegen. Die Lokomotive besteht aus drei separaten zweiachsigen Teilen, die zueinander beweglich verbunden sind, was den Kippmoment der Maschinen relativiert. Nur an den Bergbaustandorten Most und Sokolov findet man diese beeindruckenden Ungetüme.
Letztes Bild aus dem Betriebshof Vintířov vom 29.06.2024. Zu den bereits anwesenden Maschinen 127 503-1 (Lok 253) und 127 504-9 (Lok 255) gesellte sich zur Krönung noch 127 509-8 (Lok 241) hinzu.
Unweit vom Betriebshof schlägt die letzte Stunde der nicht mehr benötigten Maschinen. Bei meinem Besuch im Revier war Lok 239 an der Reihe.
Weiter abseits im Unterholz warteten unzählige weitere Lokomotiven, Wagen und sonstige schienengebundene Fahrzeuge auf den Schneidbrenner.
Am 18.06.2024 warteten 701 507-6 / 703 703-9 / 703 704-7 / 703 708-8 / 703 709-6 / 703 701-3 / 703 705-4 / 27E Lok 235 / 27E Lok 256 und 27E Lok 248, drei MUV Oberleitungs Reparatur Wagen und verschiedene spezial Güterwagen sowie Gleisverschubeinheiten auf ihr Schicksal.
Nun aber noch einmal zu den aktiven Maschinen. Hauptsächlich wird mit den Maschinen zwischen dem Hochbunker Vintířov (Wintersgrün) und dem Industriekomplex von Vřesová (Doglasgrün) gependelt. In der Nachkriegszeit kam es im Sokolover Braunkohlerevier zur Umstellung von der Förderung im Tiefbau zu der im Tagebau, und damit entstand auch die Frage nach der Verarbeitung der Kohle. Wegen des Bedarfes nach Leuchtgas in der damaligen Tschechoslowakei in den 1950er Jahren wurde der Aufbau des verarbeitenden Teils der Braunkohlegruben und Brikettfabriken Sokolov Vřesová beschlossen. In den 60er Jahren war der Bau vollendet und schrittweise wurde der ganze Komplex in Betrieb genommen. In den 90er Jahren traf die damalige Regierung die Entscheidung, die Erzeugung von Leuchtgas (Stadtgas) zu beenden, und infolgedessen wurde das Projekt des Aufbaus eines Gaskraftwerks aufgenommen,welches primär zur Erzeugung von Wärme und Elektroenergie vorgesehen ist. Im Jahre 1995 wurde der erste Gas Kraftwerksblock in Betrieb genommen, anschließend ein weiterer mit je einer Leistung von 200 Megawattstunden. Im Frühling des Jahres 2011 wurde die Erzeugung von Briketts in Vřesová eingestellt und die Brikettfabrik stillgelegt. Der ganze Verarbeitung Komplex in Vřesová ist einzigartig in dem, daß die Kohle hier auf kleinem Raum aufbereitet und verarbeitet wird. Auf dem Bild ist einer dieser Kohlependel zum Industriekomplex Vřesová zu sehen.
Zwischen dem Betriebshof und dem Hochbunkern kam mir 127 504-9 (Lok 255) Lz entgegen.
Selbige Maschine etwas später in den Betriebsstätten von Vintířov.
Nun aber, wie schon weiter oben erwähnt, zum aktuell größten See Tschechiens. Im Jahr 2000 wurde der Abbau im Tagebau Libík-Medard eingestellt. Es war der letzte Tagebaubetrieb im westlichen Teil des Sokolover Braunkohlereviers. Der Tagebau entstand aus der Vereinigung zweier Abbau Reviere am Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Im Juni 2008 wurde das Abpumpen des Grubenwassers aus dem Tagebau eingestellt. Zwei Jahre später begann man mit der Einleitung des Wassers der Eger, das man über einen Kanal hierher leitet. Der See Medard hat eine Fläche von ca. 500 Hektar, wird in der Zukunft jedoch nicht die größte Wasserfläche in der Umgebung von Sokolov sein. Im Jahre 2038 soll die Flutung der dann ausgebeuteten Tagebaue Jiří und Družba beginnen. Der daraus entstehende See wird eine Fläche von 1.323 Hektar haben.
Zum Abschluss noch ein Blick ins Bergbaumuseum Krásno. Das Museum in Krásno nad Teplou auf dem Gelände der ehemaligen Zinngrube Wilhelmschacht (Vilém) zeigt die Geschichte des Bergbaus der Region. Auf dem Gelände sind Ausstellungsstücke im Freien und auf verschiedene Gebäude verteilt. Bei den Gebäuden handelt es sich u. a. um den ehemaligen Maschinenraum, den Förderturm und die Trafostation. Hier sind auch die letzten 900 mm Fahrzeuge des westlichen Sokolover Braunkohlereviers ausgestellt.
MfG !! Mirko Riedel